Die Evolution des Aston Martin Sport Shift Getriebes

Hier können allgemeine „Probleme“, wie z.B. Bremsenquietschen besprochen werden.

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Superman
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Die Evolution des Aston Martin Sport Shift Getriebes

Beitrag von Superman »

Hallo zusammen,

selten hat ein Getriebe zu derart konträren Diskussionen geführt. Es wird geliebt, gehasst oder einfach nur genutzt. Die Kritik besteht teils zu Recht und teils zu Unrecht.

Zuerst einmal, was ist ein SPORT SHIFT GETRIEBE? In aller erster Linie ist es ein SCHALTGETRIEBE! Es ist keine Automatik oder ein Automatikersatz. Es ist ein Schaltgetriebe welches mich vom Kuppeln und herkömmlichen Schalten entbindet. Allerdings kuppelt und schaltet es im Ernstfall schneller als es mit einem „normalen“ Schaltgetriebe möglich ist. Es gibt mir aber auch die Möglichkeit mich zurückzulegen und das gesamte Prozedere der Elektronik zu überlassen. Allerdings nicht mit dem gleichen Schaltkomfort einer Automatik, sonst wäre es nämlich eine. Das dies heute mit einem Doppelkupplungsgetriebe möglich ist, steht außer Frage, aber auch diese Getriebebauart hat ihre Nachteile.

Mit meiner heutigen Erfahrung kann ich sagen, dass Fahrzeughalter und Werkstatt bzw. Verkäufer zu gleichen Teilen für die einwandfreie Funktion dieses Getriebes verantwortlich sind.

Doch erst einmal zurück zum Anfang. Bei dem ersten V8 Vantage Sport Shift mit regulärer Fahrgestellnummer handelt es sich um ein doppeltes Debüt. Doppelt, da es sich hierbei gleichzeitig um den ersten Roadster handelte; Fire Red mit schwarzem Softtop; gebaut nach deutscher Spezifikation. Das Ganze spielte im Frühjahr 2007.

Bei der Einführung wurde das Getriebe schlicht „Sportshift Transmission“ oder „ASM“ (Automated Shift Manual) genannt. Es verfügte über dieselben Übersetzungen wie das mit der Präsentation des V8 Vantage eingeführte Schaltgetriebe und unterschied sich von diesem ausschließlich durch ein fehlendes Kupplungspedal und einer, schon während der Konstruktionsphase eingeplanten, Hydraulikeinheit. Dies war schon einmal ein großer Fortschritt gegenüber dem Vanquish Getriebe, bei dem die Hydraulik nachträglich „hineinkonstruiert“ werden musste. (siehe Bild unten)
Vanquish vs Sport Shift.jpg
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Da man von Anfang an die Hydraulik berücksichtigte, konnte diese im Gegensatz zum Vanquish sehr kompakt gehalten werden. Beim Vanquish liegt z.B. die Hydraulikpumpe an der Hinterachse beim Sportshift direkt am Ventilblock. Auch konnte die Anzahl der Schalt-Ventile reduziert werden, da die Art des Schaltens nicht mehr dem herkömmlichen H-Schaltschema folgen musste. Hierdurch konnte auch die Schaltgeschwindigkeit erhöht werden. Schlussendlich spendierte man dem Getriebe den sogenannten „Crowl Mode“ (Kriechmodus) um das Handling beim rangieren zu vereinfachen. Hierbei beschleunigt das Fahrzeug, bei gelöster Bremse, auf ebener Fläche, aus dem Stillstand bis 9 km/h, was bedeutet bis zum vollständigen Einrücken der Kupplung.

Nun sind wir am wichtigsten Bauteil angelangt, der Kupplung. Nicht das Getriebe, sondern die Kupplung und deren Handhabung sind das zu Problemen führende Bauteil. Nur wenn die Kupplung in einwandfreiem Zustand und korrekt eingestellt ist, kann das Sportshiftgetriebe die Erwartungen des Kunden erfüllen und der Kunde ist derjenige, der für diesen Zustand verantwortlich zeichnet!

Es wird sich jeder Besitzer eines Sport Shift Fahrzeugs fragen warum er für diesen Zustand verantwortlich sein soll, da er doch auf die Kupplung, ohne Pedal, keinen Einfluss nehmen kann. Dies stimmt so nicht und fängt beim Starten des Fahrzeugs an.

Die Kupplung benötigt zur einwandfreien Funktion zwei Bezugspunkte die sie bei korrekter Handhabung, dem „richtigen“ Starten des Fahrzeugs, lernt und zwar dem sogenannten „Slow Start“. Bei den zu lernenden Punkten handelt es sich um die Position der geschlossenen Kupplung und dem Punkt an dem die Kupplung zu schleifen beginnt.

Die Position der geschlossenen Kupplung erkennt das System während des Selbstchecks beim Einschalten der Zündung. Es erscheint schrittweise der Schriftzug „Power, Beauty, Soul“ oder „Pure Aston Martin“ im Display, erlischt und der Kilometerstand wird angezeigt. In dieser Zeit speichert die Getriebeelektronik die geschlossene Position.

Nun den Motor starten und 10 Sekunden Laufen lassen bevor ein Gang gewählt wird. In dieser Zeit durchläuft die Elektronik eine Selbstdiagnose und ermittelt den Schleifpunkt der Kupplung. Beim Vantage S ab August Produktion 2011 und V8 Vantage mit 7- Gang Sport Shift II Getriebe wird dies durch Blinken der Leuchtdiode in der Neutraltaste signalisiert. Nach Beendigung des Blinkens, was weniger als 10 Sekunden dauern kann, ist der Vorgang abgeschlossen.

Nun zum „Slow Start“ selbst. Bei Fahrzeugen mit 4,3 L Motor kein Problem, da diese über einen Zündschlüssel verfügen. In der Praxis bedeutet dies, den Schlüssel ins Zündschloss, auf die Position II (Zündung an) stellen, auf die Anzeige des Kilometerstands warten, die Bremse betätigen, den Motor starten, noch einmal 10 Sekunden warten, Gang einlegen und losfahren.

Beim 4,7 L Motor ist die Angelegenheit etwas diffiziler, da es sich beim „Schlüssel“ dieser Fahrzeuge nicht mehr um eine handelsübliche Version handelt, sondern um einen „Einsatz“ (Aston Martin Sprachgebrauch „Emotion Control Unit“ [ECU]), welcher in einen Schacht eingeführt werden muss (siehe Abbildung).
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Auch in diesem Falle gibt es die drei bekannten Schlüsselstellungen, „I“ Hilfsstromkreise, „II“ Zündung an und „III“ Starten. Allerdings muss die ECU sehr feinfühlig behandelt werden. Sie rastet zwar mechanisch auf Position I und II, aber einrasten bedeutet nicht funktionieren. So ist bei Position I zu beachten, dass die ECU vorsichtig über den Rastpunkt hinaus eingeführt werden muss bis die Airbag Kontrollleuchte aufleuchtet; erst dann spielt z.B. das Radio. Bei Position II ist es genau umgekehrt. Die ECU wie in der Abbildung gezeigt nur soweit hineindrücken, dass die Finger den Rand der Dockingstation berühren und die ECU einrastet. Bei korrekter Handhabung wechselt die Beleuchtungsfarbe der Dockingstation, bei Betätigung des Bremspedals, von weiß auf rot. Nun den Selbstcheck – Power, Beauty, Soul oder Pure Aston Martin abwarten und bei Erscheinen des Kilometerstandes den Motor durch Durchdrücken der ECU starten.

Nun die 10 Sekunden, bzw. den Zeitraum bis die Leuchtdiode aufhört zu blinken, abwarten, den Gang einlegen und losfahren.

Dies hört sich alles gut an, wenn man aber diesen Prozess nicht von Anfang an beherzigt beginnen sich nach einiger Zeit Probleme einzustellen, da es sich um eine adaptive, sprich lernende Elektronik handelt. In erster Linie verschlechtert sich der Schaltkomfort im „Automatik“ Modus und bei 6-Gang Getrieben setzt der „Crowl Mode“ mit immer größerer Verzögerung ein.

Über die Jahre hat der Hersteller gelernt und seit August letzten Jahres gibt es die dritte Version eines Verfahrens zur Abstellung der Probleme. Allerdings kann hier nur der Handel helfen. Als Erstes muss der Softwarestand für Motor- und Getriebemanagement geprüft und wenn nötig auf den neuesten Stand gebracht werden. Anschließend die Einstellung und Funktion des Bremslichtschalters überprüft werden, was mit dem Data Logger des Werkstatttesters gemacht werden sollte, da nicht das Aufleuchten und Erlöschen der Bremslichter das entscheidende Kriterium sind. Dann müssen die Daten im Getriebesteuergerät auf die Werkseinstellungen zurückgesetzt werden und das Fahrzeug bis zum vollständigen Abkühlen der Motortemperatur geparkt werden. Abschließend wird eine zweistufige Anlernphase durchlaufen welche sich aus einem statischen und einem dynamischen Teil zusammensetzt.

Damit dieses Prozedere zum Erfolg führen kann ist natürlich eine Kupplung, in einwandfreiem Zustand, Voraussetzung.

Für Interessenten, welche im Erlebnisfall ihre Kupplung selbst erneuern möchten sei gesagt, dass dieser Lernvorgang, sowie eine Fehlzündungserkennungsfahrt Grundvoraussetzung für ein einwandfreies Funktionieren der neuen Teile sind.

Nun zurück zum Anfang. So wie das Sport Shift Getriebe eingeführt wurde, wurde es bis zum Erscheinen des Modelljahrs 2009, zu erkennen am Glasschlüssel (ECU), ohne Veränderungen gebaut. Die mit dem Modelljahr 2009 eingeführten Veränderungen sind für den Fahrer zwar nicht erkennbar, aber für den Techniker nicht unerheblich. So folgt bis Modelljahr 2009 das Getriebemanagement dem Motormanagement und ab 2009 Modelljahr geschieht das nun im umgekehrter Reihenfolge. Dies hat den Vorteil, dass das Motormanagement auf die Lastanforderungen des Getriebes unmittelbar reagiert und nicht erst im Dialog.

Vielleicht zum besseren Verständnis: Die ursprüngliche Befehlskette
Gaspedal – Motormanagement – Getriebemanagement – Rückmeldung zum Motormanagement, benötige mehr Drehzahl.
Neue Befehlskette: Gaspedal – Getriebemanagement – benötige Drehzahl X.

Im Januar 2011 wurde der V8 Vantage S angekündigt und im März desselben Jahres auf dem Genfer Automobilsalon vorgestellt. Mit diesem Fahrzeug kam zum ersten Mal das 7-Gang Sport Shift II Getriebe zum Einsatz.

Es handelt sich hierbei um eine komplette Neukonstruktion des Getriebes und eine Überarbeitung der Hydraulikeinheit. Zielsetzung war eine bessere Gangabstufung, schnellere Schaltzeiten, bessere Zuverlässigkeit, weniger Gewicht und die Reduzierung der mechanischen Verluste gegenüber dem 6-Gang Getriebe.
Sportshift I vs Ss II-1.jpg
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Das beeindruckendste Resultat ist die Gewichtsreduzierung von 24kg gegenüber der 6-Gang Version; trotz eines Ganges mehr! Wie so oft lag auch hier die Kunst im Weglassen. Das Sportshift II Getriebe kann dank Luftkühlung schon einmal auf einen separaten Kühler, die Leitungen und die entsprechende Pumpe verzichten. Der Verzicht von Achswellenflanschen und die Verwendung „Plug-in“ Leichtbauachswellen tat ein Übriges und auch die Überarbeitung des Getriebegehäuses trug zur Gewichtsreduzierung bei.

Auch softwareseitig wurde mit Einführung dieses Getriebes etwas weggelassen, der Crowl Mode (Kriechmodus). Viele Eigner mögen diesen Modus nicht da er das Rangieren schlecht kalkulierbar macht. Dies stimmt, aber nur bei nicht richtig „eingestellter“ Kupplung. Wenn diese, wie vorher beschrieben, durch korrektes Starten immer im optimalen Bereich agieren kann, kriecht das Fahrzeug, sehr ähnlich einer Automatik.

Der kürzere Erste, sowie Rückwärtsgang in Verbindung mit einer kürzeren Hinterachsübersetzung erleichtern jetzt das Rangieren und reduzieren die Neigung zur Geruchsbildung der Kupplung nachhaltig. Auch verbrauchs- und emissionstechnisch machen sich die neuen Übersetzungen positiv bemerkbar; wenn auch bezüglich des Verbrauchs der Fahrer immer noch den größten Einfluss hat.

CO2 / 4,7L / 312 g/km MY2009 V8 Vantage – 6-Gang
Kombinierter Verbrauch 13,2 L/100km

CO2 / 4,7L S / 299 g/km MY2011 V8 Vantage S – 7-Gang
Kombinierter Verbrauch 12,9 L/100km

Als letzten Schritt zur Optimierung dieses Getriebes hat man seitens des Herstellers während des Modelljahrs 2011 einen neuen Reibbelag für die Kupplung eingeführt. Vorteile sollen sein: größere Lebensdauer, weniger Ruckeln und geringere Geruchsentwicklung. Dieses Material ist für alle 4,7L Versionen verfügbar, nicht jedoch für 4,3L Modelle.

Getriebeübersetzungen

6-Gang Sport Shift I
1. Gang 3,15 : 1
2. Gang 1,95 : 1
3. Gang 1,43 : 1
4. Gang 1,15 : 1
5. Gang 0,94 : 1
6. Gang 0,76 : 1
Rückwärtsgang 2,38 : 1
Achsantrieb
Verhältnis 3,91 : 1 Lamellen-Sperrdifferential

7-Gang Sport Shift II
1. Gang 3,286:1
2. Gang 2,158:1
3. Gang 1,609:1
4. Gang 1,269:1
5. Gang 1,034:1
6. Gang 0,848:1
7. Gang 0,675:1
Rückwärtsgang 3,286:1
Achsantrieb
Übersetzungsverhältnis: 4,18:1 Lamellen-Sperrdifferential


Mit besten Grüßen
Superman

PS: Fortsetzung folgt
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